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Foto: t&w
Bahnhof Lüneburg
Bahn Hauptstrecke
Güterzüge

Schon jetzt rollt viel Güterverkehr durch Lüneburg. Mit dem Bau eines dritten Gleises zwischen der Hansestadt und Uelzen könnten die Belastungen weiter zunehmen. Deshalb fordern Politiker aus der Region die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens. Foto: t&w

 

16. Januar 2017
Lüneburg. Michael Hansen formuliert es drastisch: „Die Alpha-Variante E ist noch nicht tot, aber sie ist todkrank!“ Dieser Eindruck verfestigte sich beim Vorsitzenden des Vereins „Anwohner gegen Ausbau“ (AgADE 21) während der zentralen Informationsveranstaltung am Donnerstag in der Ritterakademie zusehends. Wie berichtet, hatte die Deutsche Bahn zu diesem Treffen eingeladen, um über das zumindest in der Lüneburger Region umstrittene Ausbauprojekt Hamburg/Bremen-Hannover zu informieren.

Hansen steht mit seiner Einschätzung nicht allein. Auch Deutsch Everns Bürgermeisterin Ulrike Walter (CDU) kann sich nur schwer vorstellen, „dass das noch etwas wird mit dem geplanten Bau eines dritten Gleises zwischen Lüneburg und Uelzen.“ Dass dieses Unterfangen mehr als schwierig wird, glaubt auch Ilmenaus Samtgemeindebürgermeister Peter Rowohlt (SPD). Was vom Dialogforum-Schiene Nord in Celle einst als „konfliktarme Trasse“ bezeichnet wurde, entpuppt sich mehr und mehr als Problemfall für die Bahn.

Und somit letztlich auch für Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Der Landespolitiker hatte – wohl unter dem Eindruck der heftigen Proteste um Stuttgart 21 – alles besser machen und mehr Demokratie mit dem Dialogforum Schiene-Nord wagen wollen. Doch das ist zumindest aus Sicht der Betroffenen entlang der Bestandsstrecke gründlich in die Hose gegangen. „Das Dialogforum war nichts weiter als Augenwischerei“, kritisiert Walter.

Und so falsch liegt die Deutsch Everner Bürgemeisterin mit ihrem Urteil nicht. Denn das, was im Abschlussdokument des Dialogforums Schiene Nord als Alpha-Variante E gefeiert wurde – Ausbau vor Neubau – ist längst nicht mehr das, was jetzt im Bundesverkehrswegeplan steht. Denn im Celler Abschluss-Dokument steht nichts von möglichen Ortsumfahrungen zwischen Lüneburg und Uelzen. Doch genau die stehen jetzt im Mittelpunkt der Diskussion. Nur, dass die Bahn angeblich selbst noch gar nicht weiß, wo die Ausweich-Strecken gebaut werden sollen. „Planungsunterlagen für einzelne Teilstrecken haben wir nicht in der Schublade“, hatte Bahnmanager Matthias Hudaff während der Versammlung immer wieder betont. Mögliche Streckenvorschläge wolle man zusammen mit den Betroffenen vor Ort gemeinsam erarbeiten. Maximale Bürgerbeteiligung nennt die Bahn das.

Laut Hudaff sollen diese Umfahrungen bestandsstreckennah ausgewiesen werden. „Das wird schwierig“, schwant nicht nur Peter Rowohlt, auch Lüneburgs Erster Kreisrat Jürgen Krumböhmer kann darüber nur noch den Kopf schütteln: „Wo soll die Ausweichstrecke denn verlaufen?“, fragt er: „Zwischen Reppenstedt und Kirchgellersen? Zwischen Kirchgellersen und Westergellersen? Oder sogar östlich an Lüneburg vorbei?“ Auch die Variante Ashausen/Unterlüss käme da wieder als Option ins Gespräch. Doch diese Strecke wurde mit Festlegung auf die Bestandsstrecke Lüneburg-Uelzen aus dem Katalog gestrichen. Nicht nur in der Samtgemeinde Gellersen, die damals das Abschlussdokument des Dialogforums Schiene-Nord mit unterschrieben und sich so für das dritte Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen starkgemacht hatte, dürfte man die ganze Siuation jetzt wieder höchst gespannt beobachten.

Die Bahn möchte bereits Ende März in Deutsch Evern zu einem runden Tisch einladen, um das Problem der Umfahrung anzugehen. Will heißen: Die Manager hoffen auf erste konstruktive Vorschläge aus der Gemeinde und der betroffenen Region. Ulrike Walter will da aber nicht mitspielen: „Es ist Aufgabe der Bahn, nicht unsere, Vorschläge für Strecken zu präsentieren. Wenn die Bahn keine Vorschläge mitbringt, brauchen wir diese Veranstaltung auch nicht.“ Walter will sich mit Amtskollegen aus den anderen Gemeinden zusammensetzen. „Wir dürfen uns von der Bahn jetzt nicht gegeneinander ausspielen lassen“, mahnt die Christdemokratin aus Deutsch Evern.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD): „Wir erwarten, dass die Bahn endlich mal die Katze aus dem Sack lässt, wo sie sich denn nun Ortsumfahrungen vorstellt. Stattdessen sind deren Vertreter nicht mal in der Lage, uns eindeutig zu definieren, was eine Ausbaustrecke und was ist eine Neubaustrecke ist.“
Zudem befürchtet Mädge, dass die Bahn vorhat, die Zahl der Güterzüge, die durch den Lüneburger Bahnhof rollen von 185 auf rund 400 mehr als zu verdoppeln. „Das Ganze bei einer Zuglänge von 750 Metern und mit Geschwindigkeiten von 230 km/h. Hier soll eine Stadt faktisch abgerissen werden, nämlich Lüneburg, und das stört mich.“

Alpha E ist in Frage gestellt, doch wie geht es weiter? Mädge, Krumböhmer und Rowohlt formulieren, so wie Walter, den aus ihrer Sicht einzig denkbaren Weg: Das Land muss ein Raumordnungsverfahren einleiten. Dann freilich wäre das Projekt Dialogforum Schiene-Nord wohl endgültig gescheitert. Krumböhmer würde das nicht bedauern: „Der Projektbeirat hat sowieso nur eine einzige Aufgabe: Als Wächter zu verhindern, dass die Trassen-Diskussion durch ein neues Verfahren in West-Niedersachsen wieder auflebt.“

Von Klaus Reschke

 

Quelle: Landeszeitung Lüneburg vom 16. Januar 2017

Foto: t&w
Bahnhof Güterbahnhof Lüneburg
Güterzug Güterzüge
Güterverkehr

Wie soll der zusätzliche Güterverkehr bewältigt werden? Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Lüneburg und andere Kommunen wehren sich gegen die sogenannte Alpha-E-Variante, durch deren Ausbau sie direkt betroffen wären.
Genossen auf Konfrontationskurs beim Thema Güterverkehr

Genossen auf Konfrontationskurs beim Thema Güterverkehr

 

Lüneburg. Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies hat es die Laune verhagelt angesichts der jüngsten Äußerungen aus der Region Lüneburg zur geplanten Alpha-E-Variante, mit der der zusätzliche Güterverkehr auf der Schiene in den kommenden Jahren bewältigt werden soll. „Das ist eine gute, ausgewogene Lösung für den ganzen Norden – für den Güterverkehr und für den Personenverkehr. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso Lüneburg einen Prozess, an dem es ein Jahr lang aktiv mitgewirkt hat, jetzt als ,nicht demokratisch legitimiert‘ bezeichnet. Ich weise darauf hin, dass der demokratisch gewählte Bundestag die abschließende Entscheidung über den Bundesverkehrswegeplan und damit auch über Alpha E getroffen hat“, kontert Lies die Forderungen, die Landrat Manfred Nahrstedt, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge und die Bürgermeister aus Bardowick, Radbruch, Deutsch Evern, Bad Bevensen, Bienenbüttel und der Samtgemeinde Ilmenau erhoben hatten (LZ berichtete).

Haltung der Stadt Lüneburg für Lies nicht nachvollziehbar

Lies stellt klar: „Wir werden jetzt ganz bestimmt nicht wieder von vorne anfangen. Der Prozess der Bürgerbeteiligung geht weiter, aber jetzt reden wir nur noch über das Wie und nicht mehr über das Ob. Die Haltung der Stadt Lüneburg ist für mich unverständlich. Der Oberbürgermeister übersieht folgende, schlichte Wahrheit: Der Güterverkehr wird auf jeden Fall mehr werden. Wenn jetzt Alpha E wieder infrage gestellt würde, dann würde der Güterverkehr auf den vorhandenen Gleisen zunehmen – ohne jeglichen weiteren Lärmschutz und ganz sicher zulasten des Personennahverkehrs. Eine Blockadehaltung schadet also am Ende der Stadt.“ Im Januar wolle er Mädge in Hannover empfangen und im Februar nach Lüneburg reisen, um sich dort der Diskussion zu stellen.

Das Wirtschafts- und Verkehrsministerium verweist zudem auf die Mitschrift der Stellungnahme des Vertreters der Stadt Lüneburg am letzten Tag des Dialogforums Schiene-Nord, das am Ende die Variante Alpha E empfohlen hatte. Darin favorisiert die Stadt zwar den Neubau einer zweigleisigen Bahnstrecke entlang der A7, aber es heiße auch: „Also wir tragen grundsätzlich das Alpha E mit und zwar einschließlich des Ausbaus der Bestandsstrecke zwischen Lüneburg und Uelzen. Wir sind auch froh über die Bedingungen, weil Lärmschutz für Lüneburg ein großes Problem ist und wir hoffen, es mit den Bedingungen, die das Forum erarbeitet hat, auch lösen zu können.“ Ergänzend erhob die Stadt Forderungen zur Begrenzung der Güterzüge.

Das Ministerium weist darauf hin, dass im Dialogforum Ideen zum Trassenverlauf diskutiert und bewertet werden sollten. „Bei der ersten Sitzung wurde gefragt, welche Alternativen vom Gutachter zu bewerten seien. Die A7-Variante wurde da nicht genannt, sondern erst sehr viel später formuliert. Es gibt aber bis heute nicht mal im Ansatz eine ausgereifte A7-Lösung, weil es weder in Hamburg einen definierten und machbaren Beginn der Trasse gibt noch in Niedersachsen einen machbaren, definierten Endpunkt. Es gibt nur die Idee, mit einer Neubaustrecke die A 7 anzuschmiegen, wo im Übrigen ja auch Wohnbebauung betroffen wäre. Und die Forderungen aus Hamburg und Lüneburg sind keineswegs einvernehmlich: Während Lüneburg eine Neubaustrecke für den Güterverkehr wünscht (also eine Trassierung für geringe Geschwindigkeiten), fordert Hamburg eine Neubaustrecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr. Das lehnt Lüneburg aber vehement ab – wie zuvor die Y-Trasse.“

Mädges Rat an seinen Parteifreund

Mädge wertet anders: „Im Dialogforum kamen diejenigen, die nicht die Mehrheitsmeinung vertraten, nämlich die Vertreter der künftig vom Schienenlärm betroffenen Kommunen, so gut wie nicht zu Wort. Das empfinde ich als undemokratisch.“ Er stimme dem Wirtschaftsminister durchaus zu, dass Lüneburg den Prozess im Dialogforum begleitet habe. „Allerdings wehre ich mich dagegen, wenn er unterstellt, unsere Vertreter hätten ja die Chance gehabt, dort Position zu beziehen und sich aktiv in den Prozess einzubringen. Das Gegenteil ist der Fall.“

Der weiteren Entwicklung sehe er positiv entgegen: „Irgendwann muss die Deutsche Bahn die Katze aus dem Sack lassen und offenlegen, wie sie sich die Ortsumfahrungen der ansonsten vom Lärm der Güterzüge geplagten Kommunen vorstellt. Dann wird entweder deutlich, dass solche Umfahrungen technisch nicht funktionieren oder an Ortschaften entlanglaufen, die sich zuvor noch auf der Gewinnerseite der Diskussion wähnten. All diejenigen werden sich uns anschließen.“ Er rate seinem Parteifreund Olaf Lies, den Prozess „rechtzeitig zu einem allgemeinverträglichen Ergebnis zu führen – aus unserer Sicht am besten, indem er sich dem Vorschlag der Städte Lüneburg und Hamburg anschließt, eine lärmgeschützte und mindestens zweigleisige Trasse entlang der A7 für den Güterverkehr zu errichten“.

Von Alexander Hempelmann

 

Quelle: Landeszeitung Lüneburg vom 29. Dezember 2016